Vitamin D, Entzündungen und das Sturzrisiko

Stürze kommen im höheren Alter häufiger vor und werden von vielen Faktoren beeinflusst. Dabei könnten Entzündungen im Körper eine wichtige Rolle spielen, wie eine neue Studie zeigt. Eine gute Versorgung mit Vitamin D, das auch antientzündlich wirken kann, unterstützt die Sturzprävention.

Stürze sind weltweit ein großes Problem für die Gesundheit. Sie führen zu erheblicher Morbidität und Belastungen und sind bei Menschen über 65 Jahren die häufigste Ursache für Verletzungen. Daher ist die Ermittlung von Faktoren, die das Sturzrisiko bei älteren Menschen verringern können, für die Gesundheit im Alter von entscheidender Bedeutung.

Es gibt Hinweise, dass zwischen einem Mangel an Vitamin D und dem erhöhten Sturzrisiko ein Zusammenhang besteht. In einigen Studien wurde beobachtet, dass bei einer täglichen Ergänzung von Vitamin D3 (Ergocalciferol) mit einer Dosierung von 700 bis zu 2.000 I.E. sich die Stürze verringerten, das galt besonders bei Personen mit einem Mangel an Vitamin D. Die Erklärungen dafür konzentrieren sich meist auf Faktoren wie beeinträchtigte Muskelfunktionen durch vermittelte Effekte von Vitamin-D-Rezeptoren auf die Muskelzellen. Dazu beitragen könnten auch eine verringerte Knochenintegrität durch einen sekundären Hyperparathyreoidismus (vermehrte Sekretion von Parathormon), der zur erhöhten Knochenresorption führt. Nicht zuletzt könnten auch durch einen Vitamin-D-Mangel ausgelöste Entzündungen eine Rolle spielen, die neurologische und neuromuskuläre Funktionsstörungen verschlimmern können. In Bezug auf die Gabe höherer Vitamin-D-Dosen gibt es einige Bedenken, da sie möglicherweise das Sturzrisiko wieder ansteigen lassen könnten. 

Dies zeigte sich in einigen Studien bei älteren Menschen nach sehr hoch dosierten jährlichen oder monatlichen Gaben von Vitamin D oder auch bei hohen Tagesdosen (>3.200 I.E.). Allerdings zeigten andere Studien bei hohen Vitamin-D-Gaben kein erhöhtes Sturzrisiko. Vermutlich können in dieser Beziehung auch andere Faktoren noch eine Rolle spielen. Es gibt einige Hinweise, dass der Zusammenhang zwischen Vitamin D und dem Sturzrisiko möglicherweise durch Entzündungen beeinflusst wird. Sie können das Gleichgewicht von essenziellen Nährstoffen wie Vitamin D und Retinol (Vitamin A-Derivat) verändern, was sich auf die motorischen Funktionen auswirken könnte. Deutlich erhöhte Vitamin-D-Konzentrationen könnten die motorischen Funktionen, die durch Retinol unterstützt werden, stören. Eine Gruppe von Forschen aus Australien und Großbritannien untersuchte daher die Beziehungen zwischen Entzündungen, Vitamin D und dem Sturzrisiko in einer Studie.

Die Forscher nutzten die Daten von rund 307.000 Personen aus der englischen UK Biobank (biomedizinische Datenbank). Die Analysen waren auf Teilnehmer beschränkt, für die Vitamin-D-Messungen zur Verfügung standen, bei denen Entzündungen, angezeigt durch den Entzündungsmarker CRP (C-reaktives Protein, ≥ 5 mg/L), nachgewiesen waren und die gestürzt waren. All diese Daten wurden nach verschiedenen Kriterien ausgewertet und in Beziehung gesetzt, dabei wurden auch Informationen zum Lebensstil und genetische Merkmale einbezogen. Die CRP- und Vitamin-D-Werte lagen im Durchschnitt im normalen Bereich. Die CRP-Werte waren stärker erhöht bei Frauen, bei Personen ab 60 Jahren, bei Rauchern und bei einem hohen Body Mass Index. 

Die Vitamin-D-Werte waren bei Personen mit geringer Körperaktivität, bei in nördlichen Gebieten lebenden Personen und ebenfalls bei Rauchern und bei einem hohen Body Mass Index meist geringer. Personen über 60 Jahren waren im Vergleich zu den jüngeren Teilnehmern häufiger gestürzt. Insgesamt kamen Stürze bei Personen mit einem hohen CRP-Wert häufiger bei stark Übergewichtigen, bei Rauchern und sozioökonomisch stark benachteiligten Personen vor. Bei den Teilnehmern, die gestürzt waren und höhere CRP-Werte (> 20 mg/L, 926 Fälle, OR = 1,20) hatten, wurde ein Zusammenhang mit dem Sturzrisiko vermutet. Dabei zeigte sich, dass die Beziehungen zwischen dem Vitamin-D-Status und dem Entzündungs-Marker CRP offenbar recht komplex sind. Erhöhte CRP-Werte, die auf Entzündungen hinweisen, waren mit einem deutlich höheren Sturzrisiko verbunden (pro 5 mg/L CRP-Anstieg OR = 1,06). 

Dagegen konnte eine gute Versorgung mit Vitamin D das Sturzrisiko senken. Diese Zusammenhänge waren nicht linear, die Ergebnisse deuten auf ein Plateau bei den jeweils höheren Konzentrationen hin, und es gab Wechselwirkungen zwischen dem Vitamin-D-Status und CRP in Bezug auf das Sturzrisiko. Bei Vitamin D stieg das Sturzrisiko sowohl für geringe Werte (< 25 nmol/L) als auch für hohe Werte (≥ 100 nmol/L) an. Die Beziehung zwischen hohem Vitamin D und Stürzen war bei Teilnehmern mit höheren CRP-Werten (≥ 20 mg/L) stärker ausgeprägt. Das höchste Sturzrisiko wurde allerdings bei den Teilnehmern mit den niedrigsten Vitamin-D-Konzentrationen beobachtet. Die Analysen zeigten also, dass sowohl niedrige als auch hohe Vitamin-D-Spiegel bei gleichzeitig vorhandenen chronischen Entzündungen mit einem erhöhten Sturzrisiko verbunden sind. Diese Ergebnisse wurden durch genetische Nachweise (Mendelsche Randomisierung) für einen Zusammenhang zwischen einem höheren Vitamin-D-Status und einem entzündungsbedingten Sturzrisiko unterstützt. 

Dies ist mit der Ansicht vereinbar, dass Entzündungen das Retinoid-System hemmen, was ein wichtiger neurologischer Regulator der motorischen Funktionen ist, mit dem Vitamin D in Konkurrenz steht. Dabei könnten die Beziehungen zwischen Vitamin D und dem Entzündungs-Marker CRP zu weiteren Veränderungen führen. Das gilt z. B. für den Sättigungsstatus und geeignete Dosierungen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass mehr Vitamin D, abgesehen von der Behebung eines Mangels, sich nicht unbedingt vorteilhaft auf das Sturzrisiko auswirken kann.

Die Forscher ziehen das Fazit: Diese Studie legt nahe, dass Entzündungen den Zusammenhang zwischen Vitamin D und dem Sturzrisiko beeinflussen könnten. Sowohl niedrige als auch hohe Vitamin-D-Spiegel könnten das Sturzrisiko bei Personen mit chronischen Entzündungen erhöhen. Diese komplexen Zusammenhänge sollten künftig weiter untersucht werden, dazu gehören z. B. auch die möglichen Wechselwirkungen zwischen Entzündungen, Vitamin D und Retinol.

Quelle:
Joshua P. Sutherland et al., Vitamin D, C-Reactive protein, and Increased Fall Risk: A Genetic Epidemiological Study. In: Nutrients, online 26.12.2024, doi: 10.3390/nu17010038.

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