Unzureichende Vitamin-D-Werte sind bei orthopädischen Patienten relativ weit verbreitet, wie mehrere Studien zeigten. Vitamin D ist für die optimale Knochengesundheit und gute Muskelfunktionen sehr wichtig. Beides sind auch wesentliche Voraussetzungen für eine erfolgreiche Gelenk-Endoprothetik.
Die Kenntnisse über die Rolle und Bedeutung von Vitamin D bei der Aufrechterhaltung einer Vielzahl physiologischer Funktionen nimmt ständig zu. Vitamin D wird längst nicht mehr allein mit dem Knochenstoffwechsel (Kalziumhomöostase, Knochenmineralisierung) in Verbindung gebracht, sondern ist auch mit den Muskelfunktionen und verschiedenen Autoimmunreaktionen verbunden, was sich auf Krankheiten wie Diabetes, Bluthochdruck, Multiple Sklerose und Krebs auswirken kann. Vitamin D wird im Körper hauptsächlich durch die Einwirkung von Sonnenlicht auf die Haut gebildet, über die Nahrung wird es in eher geringen Mengen aufgenommen (5-10 %).
Defizite oder gar ein Mangel an Vitamin D hängen von vielen Faktoren ab, dazu gehören die Sonneneinwirkungen, abhängig z. B. von der geografischen Lage und den Jahreszeiten, sowie Vitamin-D-Anreicherungen von Lebensmitteln oder Aufnahmen von Vitamin-D-Ergänzungen. Im Körper entsteht nach verschiedenen Transfer-Prozessen 25-Hydroxyvitamin D (25[OH]D), das als die wichtigste zirkulierende Form von Vitamin D bekannt ist. Nach weiteren Umwandlungs-Prozessen entsteht die biologisch aktive Form Calcitriol (1,25[OH]2D). Es entfaltet seine Wirkung über spezifische Vitamin-D-Rezeptoren und reguliert nicht nur den Kalziumstoffwechsel, sondern auch die Differenzierung und Vermehrung verschiedener Zellarten. In mehreren Studien wurde berichtet, dass ein Mangel von Vitamin D bei orthopädischen Patienten häufiger vorkommt. Nach orthopädischen Eingriffen wurden niedrige Serum-Vitamin-D-Spiegel mit erhöhten Raten beim Aufenthalt im Krankenhaus und schlechteren Ergebnissen in Verbindung gebracht.
Damit ist auch das Interesse an der Vitamin-D-Versorgung bei Patienten gestiegen, die sich einer geplanten Gelenkersatz-Operation (Gelenk-Endoprothetik) unterziehen müssen. Man kann davon ausgehen, dass diese Operationen bei einer zunehmend immer älter werdenden Bevölkerung durch die Vorkommen von Arthrosen im fortgeschrittenen Stadium stark ansteigen werden. Einige Studien deuten auf einen Zusammenhang zwischen dem Mangel an Vitamin D und dem Fortschreiten der Arthrose hin. Doch bisher gibt es kaum Untersuchungen über unzureichende Vitamin-D-Werte bei Patienten, die sich einer Gelenkersatz-Operation unterziehen müssen. Eine Gruppe deutscher Forscher führte dazu eine Studie mit Patienten durch, bei denen diese Operation geplant war.
In einem Orthopädie-Zentrum wurden ab Mai 2023 im Lauf eines Jahres nacheinander 687 Patienten (Durchschnittsalter 68 Jahre) mit Arthrose in die Studie aufgenommen, bei denen eine Ersatzoperation des Kniegelenks durchgeführt wurde. Bei allen Teilnehmern wurden meist am Tag vor der Operation die Vitamin-D-Spiegel gemessen und je nach Wert in eine mangelnde (<20 ng/ml), unzureichende (20-29 ng/ml) oder ausreichende Versorgung (≥30 ng/ml) eingeteilt. Bei einer zu geringen Versorgung erhielten die Patienten nach der Operation Vitamin-D-Ergänzungen. Bei allen Teilnehmern wurde der Zusammenhang zwischen den Vitamin-D-Werten und demografischen und klinischen Einflussfaktoren wie Alter, Geschlecht, Body Mass Index, Rauchgewohnheiten und die Jahreszeit bei der Messung bestimmt. 121 Patienten (knapp 18 %) gaben an, dass sie vor der Operation routinemäßig Vitamin D eingenommen hatten.
Sie hatten einen signifikant höheren Vitamin-D-Spiegel und eine signifikant verkürzte Dauer ihres Aufenthalts im Krankenhaus. Insgesamt waren 33 % der Patienten vor der Operation ausreichend mit Vitamin D versorgt, bei 33 % zeigten sich Defizite, und 34 % hatten einen Vitamin-D-Mangel. Abhängig von der Jahreszeit (sonnenreiche und -ärmere Monate) gab es Schwankungen in der Versorgung. Ein weiteres wichtiges Ergebnis der Studie war die Identifizierung von Risikofaktoren, die mit unzureichenden Vitamin-D-Werten bei Patienten mit einer Gelenkersatz-Operation verbunden sind. Es konnte gezeigt werden, dass die Adipositas (Fettleibigkeit, BMI ab 30), die bei vielen Patienten vorhanden war, ein signifikanter und unabhängiger Risikofaktor für unzureichende Vitamin-D-Spiegel war. Dies steht im Einklang mit früheren Ergebnissen, die einen Zusammenhang zwischen dem Vitamin-D-Mangel und Adipositas beschrieben hatten.
Eine mögliche Erklärung dafür ist, dass Vitamin D im Fettgewebe fest gebunden ist und dadurch weniger zirkulierendes Vitamin D zur Verfügung steht. Darüber hinaus erhöhte Rauchen das Risiko für eine unzureichende Versorgung mit Vitamin D erheblich. Auch die Jahreszeit der Vitamin-D-Einnahme war ein unabhängiger Risikofaktor für unzureichende Vitamin-D-Spiegel vor der Operation, wobei die Werte in den sonnenärmeren Monaten, im Winter und Frühjahr, besonders niedrig waren.
Die Forscher ziehen das Fazit: Insgesamt zeigten sich in dieser Studie bei den Arthrose-Patienten vor einer Kniegelenks-Ersatzoperation alarmierend hohe Vorkommen an geringen Vitamin-D-Werten. Rund zwei Drittel der Patienten waren entweder von einem Mangel oder der unzureichenden Versorgung an Vitamin D betroffen. Das kann sich sowohl auf die Operation als auch im Anschluss auf den weiteren Verlauf auswirken. Die Forscher empfehlen, dass vor geplanten Gelenks-Operationen die Bestimmung des Vitamin-D-Spiegels routinemäßig überprüft werden und bei Bedarf Vitamin D ergänzt werden sollte.
Quelle:
Tizian Heinz et al., Prevalence and Associated Risk Factors for Hypovitaminosis D in Patients Scheduled for Primary Total Knee Arthroplasty in Germany. In: Nutrients, online 21.11.2024, doi: 10.3390/nu16233991.