Der Vitamin-D-Status kann für die Resilienz gegenüber Stress wichtig sein. Das zeigt eine kleine Studie an Psychiatrie-Patienten. Bei einer guten Versorgung mit Vitamin D reagierten sie im Frühjahr deutlich besser auf Stressbelastungen.
Mit Resilienz bezeichnet man in der Medizin die Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der psychophysiologichen Gesundheit nach Stressbelastungen, dazu gehört ein Prozess der verbesserten Anpassung an Stressoren. Das gilt nicht nur für Gesunde, sondern auch für kranke Menschen, die durch Stress stärker belastet werden. Dabei spielt offenbar auch die Ernährung eine Rolle, wie eine frühere Studie an psychiatrischen Patienten zeigte. Vor allem fettreicher Fisch schien die Resilienz der Patienten zu stärken, was vor allem auf den guten Anteil von Vitamin D zurückgeführt wurde.
Vitamin D beeinflusst u.a. die Herzfrequenz, die ein wichtiger Faktor für die Belastbarkeit in Stress-Situationen ist. Zu berücksichtigen ist bei der Versorgung mit Vitamin D ein saisonaler Faktor, denn die Vitamin D-Bildung über die Haut im Winter in den sonnenärmeren Regionen des Nordens geringer ist. Die Ernährung liefert generell nur einen kleineren Teil der Vitamin D-Versorgung, daher sind die Werte in den Wintermonaten oft geringer. Der Tiefpunkt wird meist im April verzeichnet, erst danach nehmen die Vitamin D-Werte durch den häufigeren Aufenthalt in der Sonne wieder zu.
In einer kleinen Studie untersuchte eine Gruppe von Forschern aus Norwegen und den USA die Wirkungen von Vitamin D-Ergänzungen im Winter auf typische Marker der Stress-Resilienz. Dazu gehören z.B. die psychophysiologische Aktivität sowie der Status von Serotonin (Neurotransmitter) und Cortisol (Stresshormon). Einbezogen waren 76 Männer (31 bis 81 Jahre alt), die als forensische Psychiatrie-Patienten in einer Klinik behandelt wurden. Sie litten vor allem unter Persönlichkeitsstörungen, antisozialen Verhaltens- oder Borderline-Störungen, Folgen von Drogenkonsum und posttraumatischem Stress.
Zum Beginn der Studie Ende 2017 nahmen alle an einer Testreihe mit Stressbelastungen teil, wobei die Ausgangssituation, die Stressbelastung und die Erholung mit typischen Markern untersucht wurden. Bei allen Teilnehmern wurden Blut- und Speichelproben gesammelt und für Stressbelastungen wichtige Indikatoren, wie die Herzfrequenz, bestimmt. Alle Teilnehmer hatten normale bis ausreichende Vitamin D-Werte und reagierten auf Stress in ähnlicher, normaler Weise mit dem gleichen Muster der psychophysiologischen Reaktionen auf das Testverfahren, d.h. signifikante Veränderungen von der Ausgangsbasis bis zur Stressbelastung sowie den Veränderungen danach bis zur Erholung.
Ab Januar 2018 wurden die Teilnehmer (randomisiert) in zwei Gruppen eingeteilt. Die eine Gruppe erhielt täglich 40 mcg Vitamin D (1.600 I.E. Cholecalciferol) für rund fünf Monate bis Ende Mai. Die andere Gruppe nahm zum Vergleich in dieser Zeit ein Placebo ein. Mit der Einnahme von Vitamin D erhöhten sich in der Interventionsgruppe deutlich die Vitamin D-Spiegel. In der Kontrollgruppe hatten sich dagegen die Vitamin D-Spiegel in den Wintermonaten bis zum Frühjahr signifikant verringert. Ende Mai wurden die Stress-Belastungstests noch einmal durchgeführt. Die Interventionsgruppe, die Vitamin D auch während der Tests weiter einnahm, reagierte gut auf die Stressbelastung und zeigte das vorherige Muster vom normalen Ausgangszustand über die Veränderungen durch den Stress bis zur Erholung.
Die Kontrollgruppe war jedoch nun durch den Stress stärker belastet. Sie zeigte physiologisch gesehen eine anhaltende Stressreaktion. Das galt vor allem für ihre Herzfrequenz, die vor und auch nach der Stressbelastung anhaltend erregt war. Hier befanden sich die Teilnehmer in einem konstanten Stresszustand. Das führen die Forscher vor allem auf die verringerten Vitamin D-Aufnahmen in der Winterzeit zurück. Andere Wirkungen, z.B. auf Serotonin und Cortisol, unterschieden sich dagegen in den beiden Gruppen nicht.
Die Forscher ziehen das Fazit: Insgesamt deuten die Ergebnisse bei einer Gruppe von forensischen stationären Patienten darauf hin, dass es saisonale Schwankungen in der Stress-Resilienz gibt. Sie scheint, abhängig von den saisonalen Veränderungen des Vitamin-D-Spiegels zu schwanken bzw. davon beeinflusst zu werden. Wichtig ist, dass eine Ergänzung von Vitamin D im Winter die Reaktionen auf belastenden Stress im Frühjahr gut zu beeinflussen scheint. Die Beziehungen zwischen Vitamin D und der Stress-Resilienz, einschließlich der saisonalen Veränderungen im Vitamin D-Status in den Wintermonaten, sollten in künftigen Studien weiter untersucht werden.
Quelle
Anita L. Hansen et al., Vitamin D Supplementation during Winter: Effects on Stress Resilience in a Randomized Control Trial. In: Nutrients, online 24.10.2020, doi: 10.3390/nu12113258.