Medikamente und ihre Wirkungen auf das Mikrobiom im Darm

Im Darm leben Millionen von gesundheitsfördernden Bakterien, die zusammen das Mikrobiom bilden. Einige Medikamente können die Gemeinschaft und Funktionen der Darmbakterien fördern, während andere sich schädlich auswirken können, wie eine neue Studie zeigt.

Die unzähligen gesunden Bakterien im Darm kann man wie eine riesige Fabrik betrachten, die zahlreiche Substanzen bildet, die über den Darm in die Blutzirkulation gelangen und die Körperzellen beeinflussen. Seit langem ist bekannt, dass verschiedene Ernährungsweisen die biochemischen Prozesse der Darmbakterien beeinflussen, sie bei gesunder Ernährung fördern, bei ungesunder Ernährung aber auch stören und belasten. Das gilt auch für Medikamente. Von Antibiotika ist längst bekannt, dass sie nicht nur schädliche Mikroorganismen vernichten, sondern auch die gesunde Bakterienflora im Darm beeinträchtigen. Ein großes Team von europäischen Forschern aus Frankreich, Deutschland und Dänemark hat nun 20 verschiedene Arten von häufiger verordneten Medikamenten daraufhin untersucht, ob und wie sie das Mikrobiom im Darm beeinflussen. 

Dazu gehören Wirkungen auf die Vielfalt und die Funktionen der gesunden Darmbakterien ebenso wie die Frage, ob und wie sich dies z.B. auf Herz-Kreislauf-Krankheiten, Typ 2 Diabetes und Übergewicht auswirkt. Das Forschungsprojekt „MetaCardis" (Metagenomics in Cardiometabolic Diseases) startete 2012, einbezogen waren 2.173 Teilnehmer aus Dänemark, Deutschland und Frankreich. Sie waren entweder gesund oder litten an verbreiteten chronischen Krankheiten wie Atherosklerose des Herzens, Typ 2 Diabetes oder Übergewicht. Geprüft wurden ihre Reaktionen im Darm auf den Gebrauch von Medikamenten.

Es bestätigte sich, dass wiederholte Behandlungen mit Antibiotika im Lauf der letzten fünf bis zehn Jahre mit einem weniger artenreichen Darm-Mikrobiom verbunden sind. Gesunde Menschen haben im Darm eine Fülle gesunder Darmbakterien. Diese Vielfalt ist bei chronischen Krankheiten und auch nach dem Gebrauch von Antibiotika verringert. Dies kann die Fähigkeiten der „chemischen Fabrikation" im Darm, gesundheitsfördernde Moleküle zu bilden, verringern. Die Forscher entdeckten nun auch, dass Magensäure-Medikamente (Protonenpumpenhemmer) mit unerwünschten Veränderungen im intestinalen Mikrobiom verbunden sind. 

Bei Menschen, die Magensäure-Medikamente einnehmen, fanden die Forscher relativ hohe Werte von Bakterien, die normalerweise nur in oralen Kavitäten (Zahnlöcher, z.B. durch Karies) vorhanden sind. Die Magensäure tötet solche Bakterien normalerweise ab, wenn sie versuchen, zum Darm zu gelangen, wohin sie nicht gehören. Diese Hemmung der unerwünschten Bakterien kann nicht stattfinden, wenn Magensäure-Hemmer genutzt werden. Diese Beobachtung ist sehr wichtig, weil das Eindringen oraler Bakterien in den Darm mit einem erhöhten Risiko für die Entwicklung bestimmter Darmkrebs-Arten verbunden ist. Doch es gab auch positive Entdeckungen. Überrascht waren die Forscher vom Nachweis, dass eine Kombination von zwei häufig genutzten Medikamentenarten, Schleifendiuretika (hoch wirksame harntreibende Medikamente) und Blutdrucksenker (Beta-Blocker), mit erhöhten Werten von gesundheitsfördernden Bakterien verbunden sind. Das galt für Roseburia (vom Firmicutes-Stamm), die Nahrungsfasern aus pflanzlichen Lebensmitteln abbauen können. 

Sie werden zu Buttersäure umgewandelt, die entzündliche Prozesse verringern und das Epigenom (veränderlicher Teil der DNA) regulieren kann. Bei Menschen mit kardiovaskulären Krankheiten zeigte sich häufiger eine gesündere Kombination verschiedener Darmbakterien, wenn sie Statine einnahmen. Diese häufig verordneten Medikamente können das „schlechte" LDL-Cholesterin im Blut verringern.

Die Forscher ziehen das Fazit: Diese Untersuchungen ermöglichen eine genauere Einschätzung der Wirkungen von Arzneimitteln auf das Darm-Mikrobiom, das gilt auch, wenn mehrere Medikamente gemeinsam angewendet werden. Die Forscher heben hervor, dass sie in ihren Untersuchungen nur Verbindungen zwischen der Einnahme von häufiger verordneten Medikamenten und Veränderungen im Darm-Mikrobiom entdeckt haben. Daraus lassen sich keine Ursachen für die Beziehungen ableiten. Dies muss in weiteren Studien näher erforscht werden. Ergänzt sei hier noch, dass die Gaben von Probiotika, z.B. mit gesunden Bakterienarten wie Laktobazillen und Bifidobakterien, dazu beitragen können, die Bakterienvielfalt im Darm bei Bedarf zu erhöhen.

Quelle
Sofia K. Forslund et al., Combinational, additive and dose-dependent drug-microbiome associations. In: Nature, online 8.12.2021, doi: 10.1038/s41586-021-04177-9.

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