Glutenfreie Ernährung ist nicht allgemein empfehlenswert

Immer mehr Menschen greifen beim Einkauf zu glutenfreien Lebensmitteln, auch Restaurants bieten inzwischen glutenfreie Gerichte häufiger an. Mediziner machen darauf aufmerksam, dass eine glutenfreie Ernährung nur bei einer Zöliakie oder bei allergischen und sensitiven Reaktionen auf Weizen notwendig ist.

Zu glutenfreien Produkten greifen, wie aktuelle Marktzahlen zeigen, immer mehr Menschen beim Einkauf von Lebensmitteln, Tendenz steigend. Offenbar glauben viele daran, dass solche Produkte generell gesünder sind, auch wenn sie nicht von einer Zöliakie (Gluten-Unverträglichkeit) betroffen sind. Dabei spielen Vorstellungen eine Rolle, dass die glutenfreie Ernährung allgemein leistungsfähiger macht, zum Abnehmen beitragen kann, Beschwerden im Magen-Darm-Trakt verbessern und andere Krankheiten (Rheuma, Autismus etc.) verringern kann. Überzeugende Nachweise gibt es dafür allerdings nicht. Mediziner machen daher darauf aufmerksam, dass für Menschen, die nicht von einer Gluten-Unverträglichkeit betroffen sind, glutenfreie Produkte nicht nur teuer sind, sondern oft auch ungesund sein können. 

Sie enthalten meist zu wenig Mikronährstoffe, dazu besonders viel Zucker und gesättigte Fette. Sie können daher z. B. das Risiko für den Typ 2-Diabetes, Übergewicht und Herz-Kreislauf-Probleme erhöhen. Bei einer glutenfreien Ernährung werden auch weniger Vollkornprodukte verzehrt, die sich günstig auf das kardiovaskuläre System auswirken. Bei Menschen, die nicht von einer Zöliakie betroffen waren, fand man bei hohen Gluten-Aufnahmen ein niedrigeres Risiko für den Typ 2-Diabetes. Bei geringeren Gluten-Aufnahmen war dagegen das Diabetes-Risiko erhöht.

Es gibt drei wichtige Gründe für eine gluten- bzw. weizenfreie Ernährung: die Zöliakie, die Weizenallergie und die Weizensensitivität. Die Zöliakie ist eine Autoimmun-Krankheit im Darm, deren Ursachen bisher nicht bekannt sind, dabei spielen genetische Veranlagungen eine wichtige Rolle. Man schätzt, dass rund ein Prozent der Bevölkerung davon betroffen ist. Die Krankheit macht sich beim Verzehr von glutenhaltigem Getreide oft schon im Säuglingsalter bemerkbar, kann aber auch erst später bei Erwachsenen auftreten. Die Krankheit wird durch die in Getreidewaren enthaltenen Proteine ausgelöst, die als Gluten bezeichnet werden. 

Dies ist ein Überbegriff für verschiedene Proteine und Protein-Fraktionen im Weizen und in einigen anderen Getreidesorten, darunter z. B. Dinkel, Roggen und Gerste. Gluten wird auch Klebereiweiß genannt, weil es bei der Herstellung von Backwaren dafür sorgt, dass der Teig zusammenhält und elastisch ist. Es ist auch in vielen industriell hergestellten Lebensmitteln in kleineren Mengen enthalten. Zu den typischen Zöliakie-Symptomen durch glutenhaltige Lebensmittel gehören z. B. Diarrhoe, Erbrechen, Verstopfung, Flatulenz, Völlegefühl, Blähbauch und Bauchschmerzen. Hinzu kommen chronische Entzündungen und Rückbildung von Dünndarmzotten (Ausstülpung der Schleimhaut). Es gibt außerdem eine Weizenallergie, vor allem durch häufige Mehlkontakte, von der z. B. Bäcker häufiger betroffen sind. Davon abgegrenzt wird die Weizensensitivität, die mit unverträglichen Reaktionen auf Weizen (evtl. auch andere Getreidesorten) verbunden und schwieriger zu diagnostizieren ist, da es z. B. Überlappungen mit dem Reizdarm-Syndrom gibt. 

Patienten mit einer gut kontrollierten Zöliakie ernähren sich in der Regel nicht allein glutenfrei. Sie achten auf eine Ernährung, die reichlich Nährstoffe, einschließlich der wichtigen Mikronährstoffe, viel Gemüse und Obst etc. enthält, um mögliche Unterversorgungen auszugleichen. Dennoch sind verschiedene Defizite an Proteinen (z. B. Albumin) sowie an Vitaminen und Mineralien bekannt. Das betrifft vor allem die Vitamine B6, Folsäure und Vitamin B12 sowie die Mineralien Eisen, Kalzium, Zink und Kupfer. Mängel an Mikronährstoffen sollten daher möglichst vermieden und kontrolliert werden. Bei relevanten Defiziten können Mikronährstoffe ergänzt werden.

Unser Tipp: Eine unausgewogene glutenfreie Ernährung kann Defizite oder gar Mängel an Mikronährstoffen verstärken. Sie sind bei der Zöliakie auch bei einer guten, glutenfreien Ernährung nicht immer zu vermeiden. Ergänzungen einzelner oder mehrerer Mikronährstoffe können bei Bedarf die Versorgung verbessern.

Quelle
Friederike Klein, Klug entscheiden. Keine glutenfreie Ernährung ohne Zöliakie. Kongressbericht zum Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin e.V., 22.04.-25.04, Wiesbaden. In: Springer Medizin, DGIM-Kongressbericht, 05.05.2023.

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