Selen kann auf Mangelernährung bei älteren Menschen einwirken

Eine zu geringe Versorgung mit Selen kann sich bei älteren Menschen besonders auf eine Protein-Energie-Unterernährung auswirken. Eine spanische Studie zeigt, dass verbesserte Aufnahmen von Selen einer solchen Unterernährung und ihren Folgen vorbeugen können.

Die Mangelernährung wird als Defizit oder Überschuss von Nährstoffen mit einem Ungleichgewicht der essenziellen Nährstoffe oder der gestörten Verwertung definiert. Davon betroffen sind öfter ältere Erwachsene, am häufigsten tritt bei ihnen eine Protein-Energie-Unterernährung auf. In Europa schätzt man, dass die Vorkommen bei ihnen zwischen 8,5 % und 28 % liegen, wobei Krankenhaus-Patienten stärker betroffen sind. Zur Protein-Energie-Unterernährung kommt es durch die Kombination mehrerer Faktoren, z. B. geringe Aufnahme von Makronährstoffen (Protein, Kohlenhydrate, Fett), altersbedingte Veränderungen im Energiebedarf, der sensorischen Funktionen und des Appetits sowie vermehrte Entzündungen und erhöhten Katabolismus (Abbauprozesse). 

Das führt zur veränderten Körperzusammensetzung und verminderten biologischen Funktionen. Die Protein-Energie-Unterernährung ist eine der Hauptursachen für belastende Folgen wie Sarkopenie (altersbedingter Abbau der Skelettmuskulatur) oder Gebrechlichkeit, die z. B. mit mehr Aufenthalten im Krankenhaus verbunden sind. Diese Entwicklungen sind möglicherweise auch mit einer geringen Versorgung am Spurenelement Selen verbunden.

Selen ist in vielen Lebensmitteln, z. B. in Getreide, Hülsenfrüchten, Gemüse, Nüssen, Fisch und Schalentieren, Milchprodukten und Eiern enthalten. Es spielt eine wichtige Rolle für die Gesundheit, z. B. durch antioxidative und antientzündliche Wirkungen, die selenhaltige Enzyme entfalten. Allgemein kommt ein schwerwiegender Mangel an Selen beim Menschen eher selten vor. Doch bei älteren Erwachsenen wurden geringere Selen-Spiegel z. B. mit einem verminderten IGF-1 (insulinartiger Wachstumsfaktor), der vorwiegend in der Leber vorhanden und wichtig für die Steuerung des Zellwachstums ist, sowie mit einer geringeren Muskelmasse und -kraft verbunden. Die Unterernährung bei älteren Erwachsenen kann durch eine Reihe alters- und krankheitsbedingter Faktoren begünstigt werden, die mit einem Selenmangel in Verbindung stehen. 

Einige Studien bei älteren Erwachsenen deuten auf positive Wirkungen von Selen-Ergänzungen auf Biomarker für Entzündungen, oxidativen Stress und Insulinempfindlichkeit hin. Doch bisher wurden die Beziehungen zwischen dem Selen-Status und dem Risiko der Protein-Energie- Unterernährung bei älteren Menschen in der Bevölkerung nicht näher untersucht. Eine Gruppe spanischer Forscher prüfte daher in einer Studie den Zusammenhang zwischen der (zirkulierenden) Selen-Konzentration im Blut und dem Risiko der Unterernährung bei älteren Erwachsenen.

An der Senioren-ENRICA-Studie (Estudio de Nutrición y Riesgo Cardiovascular en España) nahmen ab 2015 3.273 Erwachsene im Alter von ≥ 65 Jahren teil, die in Madrid und vier angrenzenden Städten lebten. Das durchschnittliche Alter der Teilnehmer betrug 71 Jahre und 48 % waren Frauen. Zu Beginn wurde bei allen die Gesundheit, vorhandene Krankheiten, Medikamente und die Ernährung, einschließlich der Einnahme von Nahrungsergänzungen, bestimmt. Weiter wurden eine Reihe körperlicher Untersuchungen durchgeführt. Alle Teilnehmer nahmen außerdem an Befragungen zu ihrer Ernährung teil. Von Unterernährung ging man bei mindestens einem von drei GLIM-Kriterien (Global Leadership Initiative on Malnutrition) aus. 

Das betraf einen unfreiwilligen Gewichtsverlust, niedrigen Body-Mass-Index und verringerte Muskelmasse, hinzu kamen z. B. eine reduzierte Nahrungsaufnahme und Umwandlung von Nährstoffen (Assimilation) samt Entzündungen. Bei allen Teilnehmern wurden im Blut die Selen-Konzentrationen gemessen. Der mittlere Selenwert betrug 114,2 µg/L, es gab jedoch auch Teilnehmer mit geringeren Selenwerten (unter 99 µg/L). Ältere Teilnehmer mit geringerer Bildung, mit schlechterer Einhaltung der Mittelmeerdiät, mit niedrigerer Zufuhr an Mikronährstoffen unter den üblichen Empfehlungen oder bei zu geringer Aufnahme von Proteinen sowie Teilnehmer mit Diabetes oder Krankheiten des Bewegungsapparats hatten niedrigere Konzentrationen von Selen. Allgemein waren die Studien-Teilnehmer recht gut ernährt, Zeichen der Unterernährung fand man jedoch bei 402 Teilnehmern. Alle Teilnehmer wurden etwas mehr als zwei Jahre in Bezug auf ihre Gesundheit und Ernährung hin beobachtet. 

142 Teilnehmer (11 %) entwickelten in dieser Zeit eine moderate und 113 Teilnehmer (8,8 %) eine schwere Unterernährung. Da am Ende nicht für alle Teilnehmer aktualisierte Daten, z. B. zur Ernährung und Gesundheit oder zu Selen-Bestimmungen vorlagen, konnten am Ende nur die Daten von 1.389 Teilnehmern ausgewertet werden. In den Dosis-Wirkungs-Analysen nahm das Risiko für eine schwere Unterernährung mit einer ansteigenden Selen-Konzentration linear ab. Dieser Zusammenhang war unabhängig von der Protein-Zufuhr oder der Qualität der Ernährung, er war außerdem bei Teilnehmern mit einer Muskel-Skelett-Krankheit stärker ausgeprägt. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass ein guter Selen-Status in der Ernährung dazu beitragen kann, die Unterernährung bei älteren Erwachsenen zu vermeiden.

Die Forscher ziehen das Fazit: Erstmals wurde in einer Studie der Zusammenhang zwischen den Selen-Konzentrationen im Blut und dem Risiko einer Unterernährung bei älteren Erwachsenen untersucht. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass ein angemessener Selen-Status notwendig ist, um die Unterernährung bei älteren Erwachsenen zu verhindern. Diese Beziehungen sollten künftig weiter untersucht werden, das gilt z. B. auch für Wirkungen von Selen-Ergänzungen in sicheren Dosen, um der Unterernährung bei älteren Menschen vorzubeugen und sie zu verhindern.

Quelle
Ester García-Esquinas et al., Blood Selenium Concentrations Are Inversely Associated with the Risk of Undernutrition in Older Adults. In: Nutrients, online 9.11.2023, doi: 10.3390/nu15224750.

Als registrierter/angemeldeter Benutzer erhalten Sie zusätzlich Empfehlungen und Informationen unserer Redaktion.